Kingsbridge Das Leben in einer mittelalterlichen Stadt

[Elinor Howard]

Ein Bote kam und überreichte mehrere Depeschen, die die Gräfin mit einem leichten Nicken entgegen nahm. Sie war nervös heute. Der Diebstahl war noch immer nicht aufgeklärt, stattdessen lag Tristan Scott verletzt in Lady Yunas Zimmer. Es lief nicht so wie es geplant war. Und das Dokument, welches ihr und ihrem Sohn gefährlich werden konnte, war noch immer in falschen Händen.
Unruhig lief sie im Zimmer auf und ab und knetete ihre Finger. Sie musste jemanden mit einbeziehen. Doch wen? Wem konnte man genug vertrauen um das Dokument als Fälschung darzustellen? Elinor nahm die Briefe zur Hand und setzte sich an den polierten dunklen Schreibtisch. Sie schaute sich die Siegel der einzelnen Briefe an und staunte nicht schlecht, als das königliche Siegel auffiel. Schnell brach sie es und entfaltete das Pergament.
Eine Einladung, rief sie aus und lächelte. Wenn das kein gutes Zeichen ist. Hektisch sprang sie wieder auf und nahm die Wanderung durch das Zimmer auf. Wenn ich den König auf meiner Seite hätte, dann könnte Jack überhaupt nichts ausrichten. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Er wird die gleiche Idee haben, überlegte sie und riss sich zusammen um nicht laut zu fluchen. Die anderen Briefe waren nur Grüße und Bittstellungen, wie sie schnell herausfand und legte sie beiseite. Damit wollte sie sich jetzt nicht beschäftigen. Sie brauchte einen Plan, wie sie eine Audienz bei König Heinrich bekommen konnte.

[Elinor Howard]

Die Zeit ... wie schnell war sie vergangen. Kopfschüttelnd saß die Gräfin an ihrem Sekretär. William war tot. Jack ... tot. Die Bedrohung durch Jack damit also hinfällig. Die Grafschaft blieb in der eigenen Familie. Blieb bei ihr und später bei Lady Helena und ihrem Mann. Und dann bei dem Kind, das Helena in diesen Tagen geboren hatte. Ein Mädchen. Elinor verachtete die Tochter dafür, dass sie nur ein Mädchen zur Welt gebracht hatte. Sie hätte einen Sohn gebären sollen. Einen kräftigen Sohn. Als Nachfolger. Oder sogar als zukünftiger Ehemann einer der Tudor-Töchter.

Elinors Pläne waren sicher nicht demütig. Der Bischof hätte seine helle Freude daran. Die Gräfin faltete die Briefe, siegelte sie, bevor sie Yuna zu sich rief.

[Elinor Howard]

Monate waren vergangen. Die Gräfin saß am Sekretär und studierte ihre Briefe. Der letzte Brief versetzte sie in Hochstimmung.
Es war eine Einladung des Königs. Ein Frühjahrsfest sollte stattfinden und Elinor war samt Familie eingeladen. Lächelnd strich sie über die Zeilen. Endlich wieder ein gesellschaftliches Ereignis. Die letzten Monate waren geprägt von Trägheit und Langeweile und Mißmut. Die Tochter war mit ihrem Balg beschäftigt und war schon wieder guter Hoffnung. Hoffentlich diesmal mit einem Sohn, überlegte die Gräfin. Dann hätte das Kind endlich mal etwas vollbracht.

Elinor stand auf, strich unbewusst über das Kleid und straffte die Schultern. Sie brauchte eine neue Garderobe.