Re: Die Terrasse
von Myriel » Sa 9. Sep 2017, 20:25
Bereits vor der Beisetzung hatte Myriel am Morgen die Küche aufgesucht und der Köchin und der Magd aufgetragen etwas Gebäck und einen Johanniskraut-Melissen-Sud auf zu gießen.
Nach der Beisetzung hatten sich die Männer in "ihr" Reich zurück gezogen, Toms Mutter war zur Terrasse gegangen. Myriel ging zur Küche und bereitete ein Tablett, es war noch kein richtiges Tablett, aber wenigstens ein recht großes Brett auf dem sie zwei Tontassen, eine kleine Kanne mit dem Johanniskraut-Melissen-Sud, einem Tontopf Honig, zwei kleinen Löffeln und einem Teller mit etwas Gebäck darauf zurecht machte.
Es war eine kurze Beisetzung ohne viel Gewese. Man hatte nicht mal viel gesprochen, was hätte man auch sagen sollen.
Die Rothaarige, obwohl sie eigentlich noch nichts zu sagen hatte, aber die Umstände erforderten, dass sie sich bereits jetzt damit vertraut machte einmal die Herrin in Lüchtringen zu sein, wies die Magd an nicht zur Terrasse zu kommen.
Myriel wollte vorbeugen, falls sie die Mutter in einem desolaten Zustand vorfinden sollte, sollte es genug sein, wenn sie den Schmerz sah, es mussten nicht auch noch alle Hausangestellten darüber aus nächster Nähe bescheid wissen, das war sie einfach dieser würdevollen Frau schuldig gewesen.
Und so brachte Myriel selbst das Brett mit warmen Getränk und Gebäck zur Terrasse hinaus. Zum Glück hatte sie in Aachen die Möglichkeit gehabt zu lernen wie man ein volles Tablett am Besten trug, das kam ihr nun zu Gute.
Auf der Terrasse wurde das hölzerne Tablett auf einem kleinen Tischchen abgestellt, der etwas in Front zu dem Lehnstuhl stand. In geringer Entfernung neben dem Lehnstuhl stand bereits ein zweiter Lehnstuhl, es war alles erstmal provisorisch ran geschafft, irgendwann würden die Lehnstühle durch ein paar Korbmöbel ersetzt werden, so sie denn einen Korbflechter gefunden hatte, doch dies dauert einfach noch etwas länger und war in der kurzen Zeit nicht machbar gewesen.
Da Myriel das Tablett abstellen musste konnte sie natürlich nicht das Gesicht der älteren Frau erblicken, dennoch sprach sie zu ihr, einfach um sich bemerktbar zu machen, falls Toms Mutter irgendwo weit in der Ferne mit ihren Gedanken war.
"Ich habe etwas Gebäck und einen wärmenden Kräutersud bereiten lassen, vielleicht wollt ihr einen Becher?"
Tatsächlich wärmende Eigenschaften hatten die Kräuter natürlich nicht, sie waren dafür zuständig die Nerven zu beruhigen und die Stimmung etwas zu erhellen.
Myriel wartete nicht wirklich eine Antwort ab, sondern goss zwei Becher mit dem Sud voll. Erst dann sah sie sich zu Elisabeth um. "Honig?"
Dem Wunsch entsprechend wurde die Tasse an Elisabeth übergeben. Myriel zitterte ein wenig. Sie war natürlich nervös, sehr sogar. Sie wollte einen guten Eindruck machen, aber wie sollte man den unter solchen Umständen machen und sich selbst dabei in den Vordergrund zu schieben. Es war sowieso nicht unbedingt Myriels Art im Mittelpunkt zu stehen, aber sie würde es unweigerlich sein in der nächsten Zeit.
Auch Myriel nahm sich eine Tasse, gab Honig dazu und rührte in ruhigen Zügen und leisen Klimpern die Tasse um. Dann setzte sie sich auf den freien Lehnstuhl und hielt sich an ihrer Tasse fest.
Sollte sie etwas sagen? Sollte sie warten bis Elisabeth sprach? Es war still, nur hier und da hörte man das Rascheln der Bäume, als der Wind durch ihre Blätter streifte.